Franzosen dürfen - Deutsche dürfen nicht?

„Der bisherige Weg, einen Verfassungsvertrag für Europa zu erarbeiten, war nicht transparent“, sagte der für Europarecht zuständige Bundesverfassungsrichter Siegfried Broß. Absolut. Wer kennt schon den Entwurf der uns bevorstehenden EU-Verfassung, wer weiß schon, dass wir durch diesen Vertrag einen Großteil unserer Eigenständigkeit aufgeben? Ist der Schritt zu einer gemeinsamen Verfassung einmal gegangen, gibt es kein Zurück mehr.

Die geringe Wahlbeteiligung der letzten Europawahlen zeigt u. a. wie groß die Verdrossenheit über „die da oben“ und die daraus resultierende Teilnahmslosigkeit der Bürger am europapolitischen Geschehen ist. Dies ist eine gefährliche Entwicklung und hier muss rechtzeitig gegengesteuert werden. Abgesehen von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp) hat sich im vergangenen Europa-Wahlkampf kaum eine Partei für einen bundesweiten Volksentscheid eingesetzt. Das ist erschreckend, da das schöne Wörtchen „Bürgernähe“ doch immer noch bei allen Parteien groß geschrieben wird.

Das Interesse an Europa wächst doch erst mit dem Grad der Bürgerbeteiligung. Erst wenn die Menschen nicht weiterhin übergangen werden und sie selbst verbindlich entscheiden können, informieren sie sich über den Verfassungsentwurf, diskutieren ihn und bilden sich ein begründetes Urteil. Das Grundgesetz legt fest, dass die Staatsgewalt vom „Volk ausgeht“ und in „Wahlen und Abstimmungen“ ausgeübt wird. Es bedarf in Deutschland also lediglich der Umsetzung dieses grundlegenden Verfassungsprinzips, was jedoch gegen den Willen von 80 % aller Deutschen am Bundestag scheitert. Warum werden wir Bürger sogar in dieser wichtigen Zukunftsfrage - der Entscheidung für oder gegen eine uns aufgezwungene Verfassung - durch unsere eigene politische Führung ignoriert? Warum hat die Bundesregierung Angst vor einer Verankerung der Möglichkeit bundesweiter Volksabstimmungen im Grundgesetz? Fürchtet Bundeskanzler Schröder, die Deutschen könnten den jetzt vorliegenden Verfassungsentwurf mit all seinen Konsequenzen durchschauen?

Bisher haben zehn Staaten eine Volksabstimmung angekündigt. Das ist auch hierzulande möglich - wenn die Verantwortlichen in Regierung und Parlament endlich den Mut finden, anstelle der bisherigen Bevormundung des Deutschen Volkes uns allen endlich etwas zuzutrauen. Ansonsten werden wir EU-Bürger zweiter Klasse sein.

Christian Burgmayr
Berching
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