Wieder oder wider die Doppelmoral!
Auch ich betrachte die Kunst Lothar Fischers als eine Möglichkeit
für Neumarkt, sich zumindest regional einen Namen zu machen.
Ein öffentliches Veto ist jedoch dann angebracht, wenn die
Neumarkter Bevölkerung bei der Entscheidung über ein eventuelles Museum über
Hintergründe und Inhalte der ausgestellten Kunst wissentlich im Unklaren
gelassen wird:
1)
Es geht nicht an, wenn die vor 42 Jahren entstandenen
Manifeste einer Künstlergruppe als Jugend?-Sünde, als „Gaudi“ bezeichnet wird.
So zu tun als ob Gesellschaftskritik zu Zeiten
Adenauers statthaft, heute aber, zumindest auf örtlicher Ebene, Majestätsbeleidigung sei, ist ein Zeichen
unerträglicher Doppelmoral.
2)
Zutiefst verwerflich ist auch die Doppelmoral politisch
Verantwortlicher in dieser Stadt, die in jüngster Vergangenheit den zugezogenen
Neubürgern das Recht absprachen, an der Gestaltung der Stadt mitzuwirken. Nun,
da es einen Künstler gibt, der, schon wieder kein Neumarkter!, genau dem Mief dieser Doppelzüngigkeit entflohen
ist, in dessem Lichte sich aber
trefflich sonnen lässt, werden alle politischen und moralischen Bedenken hinten
an gestellt.
3)
Bedenklich ist weiterhin, die fehlende, oder nicht gewollte?, Aufklärung der Bürger
darüber, dass es unter den Werken des Künstlers durchaus solche gibt, die
geeignet sind, anstößig in vielfachen Belangen zu wirken, die weit verbreitete
tradierte Vorstellungen ins Absurde führen..
4)
Die Präsentation des ohne Bürgerbeteiligung quasi
fertig gestellten Fischer-Museums am Eingang des Stadtparkes, der hierbei
zerstört wird, widerspricht allen vergangenen Beteuerungen der Stadtspitze zu
mehr Transparenz und Offenheit . Die Präsentation lief unter dem Motto ab
„Boykottiert alle herrschenden Systeme und Konventionen, indem Ihr sie nur als
missratene Gaudi betrachtet“.
5)
Es ist unlauter, von einer Dringlichkeit für das
Fischer Museum zu sprechen, während notwendige Dinge, wie z.B. das
Jugendzentrum oder eine behindertengerechte Stadt auf die lange Bank geschoben
werden.
Genau diese Doppelmoral gewisser Kreise, die noch dazu
politisch verantwortlich sind, zeigt die geistig-moralische Verlotterung auf,
die zu den heute wohl nicht mehr korrigierbaren Problemen unserer Gesellschaft
in allen Ebenen geführt haben.
Nichtsdestotrotz sehe
ich durchaus auch weitergehende Möglichkeiten, die durch die Verbindung
Lothar Fischers mit der Stadt Neumarkt entstehen können:
So könnte Neumarkt durchaus zu einer zentralen Sammelstelle
für anarchistische Kunst und Literatur werden. Dies wäre neu in Deutschland. Es
ist sicherlich keine leichte Entscheidung für den Stadtrat, sich zu
anarchistischer Kunst zu bekennen , wohl ahnend, dass zumindest für Teile
dieser Künstlergruppe den theoretischen
Unterbau für die APO und damit in
letzter Konsequenz zu Gewalt und
Terrorismus gelegt haben, wohl wissend, dass große Teile der Bevölkerung mit
Unverständnis reagieren werden. Es ist keine leichte Aufgabe für den Stadtrat
sich der Forderung Fischer nach „.., Kitsch, Dreck, Urschlamm,..“
anzuschließen.
Hoffnung, allerdings nur geringe, habe ich, dass durch das
Bekennen der Stadt zur Kunst Lothar Fischers, zu ihren anarchistischen
Wurzeln, Neumarkt nicht nur zu einer
Stadt der Kunst und Kultur, sondern vor allem zu einer Stadt der Toleranz wird. Hierzu ist die Entwicklung eines klaren
Leitbildes notwendig, welches nicht vom Mief der herrschenden Doppelmoral vernebelt
wird.
Hans Walter Kopp
Nibelungenstr. 21
92318 Neumarkt