Leserbrief zu Lothar Fischers Reiterskulpturen auf dem Residenzplatz

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

seit Wochen bewegen die drei  Reiterskulpturen auf unserem Residenzplatz die Gemüter. Natürlich wollen wir nur zu gerne vergessen, wie viel außer dem von uns Einkalkulierten noch in der Welt ist. Kunstwerke trifft daran eine gewisse Mitschuld. Denn in ihnen spiegelt sich der Prozess der Auslassung oder Vereinfachung wie in unserer Phantasie. Immer wieder kommt es in der Kunst zu erheblichen Verkürzungen dessen, womit die Wirklichkeit uns konfrontiert.

 

Nach erstem ungläubigen Staunen finde ich:
Mit den umstrittenen drei Reitern auf dem Residenzplatz ist dem europaweit anerkanntem Künstler Lothar Fischer eine bemerkenswerte, fein- und hintersinnige Interpretation eines weit verbreiteten Zeitgeistes gelungen:

Breitärschig, wenig Hirn, dumpf, drohend und ungerührt, aber mit großem Maul, die Kirche hinter sich lassend, blind eine überwiegend leer stehenden Künstlergarderobe musternd.
Dabei steht die Kirche für die Werte unserer Zivilisation und der Rost für die Vergänglichkeit aller Materie, irdischen Strebens, manch eitler Herrschaftsattitüde. Das leer stehende Garderobenhaus für eine leere Medienkultur.

 

Mit Karl Kraus gesprochen, ist es Lothar Fischer ganz meisterlich gelungen, aus der Lösung ein Rätsel zu machen. Große Kunst: Mehr davon. Im wirklichen Leben haben wir wirkliche Probleme: Eine barrierefrei, altersgerechte Stadt mit Ampelanlagen, die Menschen im Alter oder mit Behinderungen nicht stets in Stress versetzen. Zum Beispiel.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Christian Tölken

 

(zurück zur Leserbrief-Titelseite)